News / Von Ereignislosigkeit bis Überlebensmodus: alles dabei bei der Atlantiküberquerung

St. Martin, Karibik, vor drei Monaten: Ich hatte gerade einen Artikel für das MYC-Telegramm geschrieben, in dem es darum ging, dass wir jetzt über den Atlantik segeln. Ich weiß noch, dass ich aufgeregt war, erwartungsvoll, womit wir es zu tun bekämen. Jetzt, circa 3700 Seemeilen später in Europa, sind wir um ein paar Erfahrungen reicher. Und wir haben es geschafft.

Wir, das sind Julius Neszvecsko, Ole Ulrich und Felix Neszvecsko, starteten am 7. Mai aus St. Martin auf die Azoren. Es ging direkt mit Kreuzen und Reffen los und gleich am ersten Tag regnete es duschtauglich auf uns herab. Ich war seekrank und musste mich in der ersten Nacht dreimal übergeben. Der Anfang war schon hart, bevor sich der Körper an den neuen Rhythmus gewöhnte.

Die restliche Woche war von leichten Winden geprägt. Da badeten wir auch ein paar Mal im Ozean. Es ist immer wieder erstaunlich, wie klar das Wasser ist. Außerdem glimmerte in den ersten Nächten der Sternenhimmel besonders schön. Auch ein Gewitter mussten wir rührungslos über uns hinwegziehen lassen. Danach segelten wir eine Woche bei recht ereignislosen Bedingungen: Sonnenaufgang, Sonnenuntergang, hin und wieder mal ein Frachtschiff, viel Halbwind. Es ist typisch, dass auf dem Wasser auch mal eine Woche wie nichts vergeht. Zeit wird relativ.

In der letzten Woche kam es dicker: Ein Tiefdruckgebiet mit Fronten hat uns weiter nach Osten getragen. Wir waren schnell, aber zahlten auch dafür. Die Wellen schlugen zum Teil beeindruckend hoch bei um die dreißig Knoten. Es gab Nachtschichten, die sich wie eine nicht endende Dusche angefühlt haben. Zudem war unser Herd kaputt gegangen, also gab es nur noch kalte Mahlzeiten. Nach 19 Tagen kamen wir auf Flores an, dem westlichsten Punkt Europas.

Die Azoren sind es wert, erwähnt zu werden. Diese Inselgruppe ist das Paradies für jeden Hochseesegler. Zugegebenermaßen nicht simpel zu navigieren, aber die Mühe wird belohnt durch großartige Natur sowie gastfreundliche Fischer und Bauern. Die Symbiose aus Ozean und Land wird hier gelebt. In Horta auf Faial tauschten wir einen MYC-Stander gegen die Flagge des legendären Peter Sport Café, in dem sich alle Segler treffen, die den Atlantik überquert haben. Der MYC ist jetzt auch hier vertreten und konnte dem Bayerischen Yacht Club nachziehen.

Nachdem wir die Azoren einen Monat lang erkundet hatten, beendeten wir das Blauwassersegeln mit der letzten Langfahrt nach A Coruña in Nordspanien. Wir segelten die 1100 Seemeilen zu zweit. Dieser „Zielsprint“ sollte sich als Endgegner herausstellen: Meistens hart am Wind konnte man schlecht schlafen, weil man selbst im Bett liegend immer wieder abhob. Die Wellen brachen Tag und Nacht unerbittlich über das Deck. Der Bug war Kriegsgebiet. Wir waren mehrere Tage im Überlebensmodus. In dieser Zeit fragte man sich schon nach dem „warum“. Und am Ende machte es einfach Spaß, Teil dieses irren Schauspiels zu sein. Schließlich kamen wir nach neun Tagen auf dem Festland an. Müde und stolz.

Jetzt haben wir alle Großetappen unserer Atlantikrunde bewältigt. Wir möchten das Boot noch in Kurzetappen bis Ende August nach Schleswig bringen, zurzeit sind wir in La Rochelle. Das Auf und Ab der Emotionen auf Langfahrt werden wir nicht vergessen. Es ist wie immer beim Segeln: Mal ist es schön, mal nicht. Aber langweilig ist es nie. Egal, ob auf dem weiten Ozean oder bei uns daheim am Starnberger See.

Bericht und Fotos: Felix Neszvecsko

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