Nach einer umfangreichen Anreise kamen wir am Donnerstagabend in Travemünde am Priwall an. Am Nachmittag wurde glücklicherweise bekannt gegeben, welche sechs Mannschaften zur Überprüfung des Mannschaftsgewichts ausgelost wurden und da wir nicht betroffen waren, begannen wir nach Tagen des Hungerns unseren Aufenthalt im Norden mit einem gemütlichen griechischen Abendessen.
Am Freitag hieß es im Passathafen Boot aufbauen, Instandsetzen und Vermessen. Nur der geplante Trainingsschlag musste mal wieder ausfallen, weil wenig Wind war und wir neben unserem Steg einen Astra-Stand hatten, der uns die letzten Reparaturarbeiten am Boot erleichterte. Nachdem wir ja dieses Jahr bereits an zwei Drachenregatten teilgenommen hatten und Training oft nur verwirrt, entschieden wir demokratisch in die von unserem früheren Trainer Michael Zachries immer empfohlene UWV (Unmittelbare-Wettkampf-Vorbereitung) einzusteigen. Hierfür verließen wir bei Sonnenuntergang bestens gelaunt unser Boot und statteten dem Oberwettfahrtleiter der Travemünder Woche Anderl Denecke in seinem Büro am anderen Trave-Ufer einen Besuch ab.
Der erste Regattatag begann mit dem Briefing des obersten Wettfahrtleiter Anderl Denecke und unseres Wettfahrtleiters für die Drachen vom Zürcher Yacht Club. Dieser Segeltag gestaltete sich leichter als erwartet, wir konnten nur ein Rennen segeln, das wir mit Platz vier zu unserer Zufriedenheit aufgrund der Gegebenheiten beendeten. Beim Stegbier wurden wir von den Organisatoren der Drachenflotte Nord mit Erinnerungspreisen überschüttet und weil für den nächsten Tag ordentlich Wind und Regen angesagt war, beschlossen wir erneut die norddeutschen Spezialitäten in der griechischen Taverne zu genießen.
Der Sonntag begrüßte uns mit 12 Grad und Regen und wir verließen das Haus schon in Skiunterwäsche und Ölzeug. Es wehte ein Südwind mit 12-20 Knoten, leicht drehend. Nach einem grauenhaften Start (ich zog diese Startart die ganzen Tage zum Leidwesen meiner Crew konsequent durch), begannen wir an der ersten Luvboje als Zehnte und beendeten das Rennen als Erste. Es folgten aufgrund der Starttaktik zwei weitere Aufholrennen, die wir jeweils als glückliche Dritte beenden konnten. Völlig durchfroren kamen wir in den Hafen und freuten uns auf den Barbecue-Abend der Flotte Nord. Nach diesem Tag hatten wir die Führung übernommen und schon gemerkt, dass wir nicht nur schnell, sondern auch ein Auge für den richtigen Pfad hatten, wenn man uns nur fahren lässt.
Am dritten Tag waren 10 bis 15 Knoten Wind aus Süd/West angesagt und auch drehend vorzufinden. Leider sind wir etwas holprig in den Tag gestartet und auf dem Parcours der ersten Wettfahrt in Situationen gekommen, bei denen wir zu oft reagieren mussten und nicht das Heft in der Hand hatten. Einige unserer Gegner zeigten uns schon ihre Zuneigung und hielten sich beim Start und Wenden in unserer nächsten Nähe auf. Am Ende retteten wir uns noch auf einen neunten Platz. Das sechste Rennen beendeten wir als Vierte und hatten die Gesamtführung am Ende des Tages wieder inne.
Um einen erfolgreichen letzten Tag vorzubereiten, besuchten wir erneut das griechische Spezialitätenrestaurant und erarbeiteten eine Taktik für den letzten Tag. Den letzten Tag begannen wir bester Laune bei Sonne und 15 Grad mit mittleren Winden aus Südwest und nahmen uns vor, einfach nur zu segeln und den Rest situativ zu entscheiden. Der Start war wie immer unterirdisch, die Startkreuz ganz ordentlich, oben Fünfte, die Gegner hinter uns. Zwei Halsen später gingen wir als Erste durchs Lee-Gate auf dem Weg nach Luv und den Zweiten in Lee hinter uns – wir waren sicher, hier brennt nichts mehr an … Denkste! Kommt eine kleine Front mit 8 Bft ums Eck, der Wind dreht um 30 Grad nach rechts und hinter uns fällt ein Boot um und sinkt. Abbruch der Wettfahrt, sehr schade! Nachdem die Front durch war und die Situation sich auf ca. 5 Knoten beruhigt hatte, kam der zweite Start, vor dem der Wind bereits nach links drehte und die Startkreuz schon ein Anlieger war, was sich bei meinem Startverhalten nicht als Vorteil herausstellte.
Auf der Vorwind drehte der Wind noch weiter und wir kamen mit Spi fast nicht ans Lee-Gate. Trotz Bojenverlegung war die nächste Kreuz auch ein Anlieger und das Feld rebellierte bereits. Nachdem der Vorwindgang wieder mit Spi fast nicht zu fahren war, wurde der zweite Versuch endlich auch abgebrochen. Der Nervenkrimi nahm immer mehr Fahrt auf und bei einigen Profis, die realisierten, dass aufgrund der Zeit nur noch maximal ein Rennen zu segeln war, um uns einzuholen oder aufs Stockerl zu kommen, lagen die Nerven blank.
Nun wechselte der Wind auf Süd und wir starteten den letzten Versuch. Am Luvfass als Sechste angekommen (einen Platz hinter unserem direkten Verfolger) war die Ausgangssituation nicht schlecht. Nach der nächsten Kreuz waren wir bereits direkt hinter unserem Verfolger Zweiter, auf der Vorwind schon am Sprung nach vorn, da drehte der Wind wieder um 100 Grad und auch diese Wettfahrt wurde abgebrochen.
Der Wettfahrtleiter beendete die Meisterschaft kurz vor der letzten Startmöglichkeit und wir gewannen somit die Serie und damit die Meisterschaft. Erschöpft, aber glücklich störte uns das chaotische Auskranen nicht und wir bauten in Ruhe ab, gingen zur Siegerehrung und stiegen danach ins Auto, um durch die Nacht nach Hause zu fahren. Nun mag es manchen wundern, warum wir nicht ausgiebig gefeiert haben!? Doch am schönsten feiert es sich im MYC mit euch und das wollten wir uns aufheben …
Video der Travemünder Woche
Video: Sea Shepherd hebt gesunkenen Drachen
Alle Ergebnisse gibts hier.
Bericht: Philipp Ocker
Fotos: Travemünder Woche 2023